Desosorientierte Bindung
Diane Pool
Heller beschreibt in ihrem Buch „Tief verbunden“ über die verschiedenen
Bindungstypen. Diesmal geht es um die „desorientierte Bindung“. Wir sind
nie zu 100% einem Bindungstyp zuzuordnen, sondern ein Teil von uns fühlt
und verhält sich so wie die beschriebenen Bindungstypen.
In gewisser Weise ist die desorientierte Bindung eine
Kombination aus vermeidender und ambivalenter Bindung, jedoch vermischt
mit angstbedingten Abwehrmechanismen, die dem Überleben dienen und
ständig ausgelöst werden, um der überall lauernden Gefahr zu begegnen.
Einige unter uns mit desorientierter Bindung neigen in die vermeidende
Richtung, sind eher verschlossen und für sich. Andere am ambivalenten
Ende des desorientierten Spektrums leben in von Angst, Panik oder Wut
geprägten Zuständen.
Beim desorientierten Bindungstyp stellen die
Eltern/Bezugspersonen selbst eine Gefahr für das Kind dar. Oder auch
dass die Mutter bzw. der Vater selbst traumatische Erlebnisse in der
Kindheit hatte, die sich auf das Kind auswirken. Die Bezugspersonen, die
Sicherheit geben sollten, sind selbst Auslöser von Unsicherheit und
Angst beim Kind.
Folgende Faktoren leisten einer desorientierten Bindung
vorschub:
- Familiärer Aufruhr: Chaotische Zustände,
kriminelles Verhalten, Sucht, Missbrauch, Gewalt.
- Emotionale Störung: Extremer Wechsel von
Gefühlszuständen bei den Eltern wie z.B. Wut und dann unbändiges
Schluchzen.
- Verwirrende Kommunikation:
Doppelbotschaften und gemischte Signale wenn z.B. verbal und
nonverbal gleichzeitig unterschiedliche Botschaften vermittelt werden.
Unlösbare Probleme, wenn z.B. das Kind eine Aufgabe bekommt, aber die
Aufgabe nie zur Zufriedenheit lösen kann.
Im Erwachsenenleben kann sich die desorientierte Bindung dann
folgendermaßen auswirken:
- Bedrohungsorientierung: Es kann oft nicht
unterschieden werden, ob eine wirkliche Bedrohung vorhanden ist. Es
wird Vieles dann als Gefahr wahrgenommen.
- Ichbezogenheit und Kontrollverhalten:
Sicherheit wird nur geboten, wenn alles unter Kontrolle ist.
- Mangelnde Impulskontrolle: Es mag ihnen
oft schwer fallen die eigenen Emotionen zu verarbeiten, was dann zu
überstürzten Handlungen führen kann. Statt z.B. eine bejahende
Einstellung zu zeigen reagieren sie übermäßig aggresiv. Dieses
Verhalten ist konträr zu dem, alles kontrollieren zu müssen.
- Ständiges Gefühl zu versagen: Wenn
Eltern verwirrende Botschaften und unlösbare Probleme vermitteln, dann
kann sich im Erwachsenen ein Gefühl des Versagens einstellen.
- Innerer Konflikt und Verwirrung:
Einerseits besteht der Wunsch Beziehungen einzugehen, andererseits
sehen wir in der Beziehung eine Gefahr. Besonders wenn es intim wird,
kann das zu einer Bedrohung werden.
- Überforderung und Angststarre: Ein Teil
von uns möchte nach vorne gehen z.B. mehr Nähe, ein anderer Teil hat
Angst und möchte am liebsten weglaufen. Es ist ein Zustand höchster
innerer Erregung, äußerlich jedoch ruhig.
Um desorientierten Mustern entgegen zu wirken, brauchen wir ganz viel
Schutz und Vertrauen.
Ich biete hier ganz bewusst keine Übungen an,
da die desorientierten Muster mit Bedrohung zusammenhängen und etwa
auslösen können, das wir gerade nicht bewältigen können.
Grundsätzlich kann man sagen, dass alles was beschützend
wahrgenommen wird sehr förderlich ist. Das können sowohl eine Situation
sein als auch Menschen, die uns wohl gesonnen sind. Ein weiterer
wichtiger Aspekt ist, dass wir unterscheiden lernen, was wirklich
bedrohlich ist und was uns nur als Bedrohung erscheint. Dazu ist es sehr
hilfreich mit einem wohl gesonnenen Menschen oder Therapeuten die
Situation zu reflektieren.