Wie Angst entsteht
(Alexander Lowen, der
Begründer der Bioenergetik, beschreibt in seinem Buch "Bioenergetik -
Therapie der Seele durch Arbeit mit dem Körper u.a. über die Entstehung
von Angst)
Das Leben hat eine Primärorientierung:
Es flieht den Schmerz und
strebt nach Lust. Diese Orientierung ist biologischer Natur, weil die
Lust körperlich gesehen das Leben und Wohlergehen des Organismus
fördert. Wie wir alle wissen, wird Schmerz als Bedrohung der Integrität
des Organismus empfunden. Wir öffnen uns und greifen spontan nach der
Lust, wir kapseln uns ab und ziehen uns zurück, wenn wir uns in einer
schmerzlichen Lage befinden. Wenn eine Situation jedoch Lust verspricht
und gleichzeitig Schmerz androht, empfinden wir Angst.
Solange ein Kleinkind keinen Entzug erleidet ist es ganz Herz. In
unserer Kultur in der Enttäuschung und Entzug von emotionalem Kontakt an
der Tagesordnung sind, in der das Erwachsenwerden mit Strafen und
Drohungen einhergeht, dauert dieser glückliche Zustand allerdings nicht
lange. Eltern sind leider nicht nur Quelle der Lust. Der kindliche Geist
assoziiert sie schon bald mit der Möglichkeit des Schmerzes. Die daraus
resultierende Angst ist dann auch für die Unruhe und Hyperaktivität -
"die Zappeligkeit" verantwortlich, die man bei vielen Kindern beobachten
kann.
Ein anderer wichtiger Faktor ist die Zeit. Denn je früher im Leben
die Angst entsteht, desto durchdringender ist sie und desto mehr
strukturieren sich die Abwehrmechanismen im Körper. Auch die Art und
Intensität des drohenden Schmerzes entscheiden darüber, welche
Abwehrhaltung man einnimmt.
Das Lustversprechen regt den Organismus zu dem Impuls an, nach der
Lustquelle zu greifen, doch der drohende Schmerz zwingt ihn, diesen
Impuls abzuwürgen, wodurch ein Angstzustand entsteht. Die Zwangslage, in
die man durch entgegengesetzte Signale gerät, ist die Ursache jener
Angst, die allen neurotischen und psychotischen Persönlichkeitsstörungen
zugrunde liegt.
Diese Reihenfolge – Griff nach Lust → Entzug, Enttäuschung
oder Strafe → Angst und schließlich → Abwehrmechanismus – ist
ein Schema, mit dem man alle Persönlichkeitsprobleme erklären kann.
Wir können das Gefühl der Lust deshalb auch als Wahrnehmung einer
expansiven Bewegung im Körper – Öffnen, Greifen, Kontaktherstellen
– definieren. Schließen, Zurückziehen, Eindämmen oder Zurückhalten
werden nicht als Lust erlebt, sondern eher als Schmerz oder Angst.
Schmerz entsteht durch den Druck, der sich anstaut, wenn die Energie
eines Impulses blockiert wird. Das einzige Mittel, den Schmerz oder die
Angst zu vermeiden, besteht darin, eine Abwehrbastion gegen den Impuls
zu errichten. Wenn der Impuls unterdrückt wird, empfindet der
Betreffende weder Schmerz noch Angst, aber auch keine Lust.
Ein Mensch mit chronischen Muskelverspannungen, die die
Kommunikationswege des Herzens blockieren und den Energiefluss zur
Peripherie des Körpers hemmen, leidet in verschiedener Hinsicht. Er kann
ein Gefühl der Enttäuschung und Unzufriedenheit mit dem Leben empfinden,
er kann unter Depressionen leiden, er kann sich isoliert und entfremdet
fühlen und er kann bestimmte somatische Störungen entwickeln. Da dies
die häufigsten Beschwerden sind, mit denen man zum Psychotherapeuten
oder Psychiater geht, sollten wir uns darüber klar sein wie wichtig
es ist, das Lustpotential zu erschließen. Sonst werden die Beschwerden
unheilbar.
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Aus Sicht der NARM-Traumatherapie (siehe auch die
vorhergehenden Rundbriefe) sind die Blockaden - die unser Lustpotential
bzw. unsere innere Lebendigkeit einschränken - unsere Traumen aus
unserer Kindheit. Es geht nicht darum das Kindheitstrauma nochmal zu
durchleben. Es geht darum unsere Überlebensstrategien, die uns am
Erleben der Lust und der inneren Lebendigkeit hindern, aufgeben zu
können und ohne Angst lebendig zu
sein.